

Bendull – Zwischen Baukastensystem und rationaler Unschärfe
Bendulls künstlerische Praxis entwickelt sich aus einer doppelten Perspektive: seiner frühen beruflichen Erfahrung innerhalb der digitalen Industrie und seiner autodidaktisch erarbeiteten Auseinandersetzung mit kunsthistorischen, medientheoretischen und philosophischen Diskursen. Diese Verbindung führt zu einer Bildsprache, die weniger auf subjektive Narration als auf strukturelle Fragestellungen zielt. Sein Werk setzt dort an, wo Wirtschaftssysteme und digitale Technologien nicht nur Werkzeuge sind, sondern kulturelle Agenten, die Wahrnehmung, Verhalten und gesellschaftliche Organisation prägen.
Eine prägende Grundlage seiner Arbeit ist die frühe Tätigkeit in einem sich rasant entwickelnden Internetökosystem. Bevor Bendull sich vor rund zwanzig Jahren ganz der Kunst zuwandte, arbeitete Bendull in leitender Position bei AOL, zu einer Zeit, als das Unternehmen der größte Online-Dients der Welt war und das wertvollste Unternehmen (nach Aktienwert). Die Beobachtung, wie Aufmerksamkeit zu einer quantifizierbaren Ressource wurde und wie algorithmische Verfahren begannen, Stimmungen, Präferenzen und Kommunikationsformen zu steuern, bildet den konzeptuellen Hintergrund seiner späteren künstlerischen Untersuchungen. Bendull thematisiert diese Prozesse illustrativer als in der Kunst derzeit üblich, auch weil er sagt, „mythische Unschärfe“ wurde in den letzten Dekaden in allen Ausführungen produziert. Er will etwas erschaffen, was jede(r) verstehen kann.
Seine Werke operieren häufig mit spiegelnden, glatten und von Bildschirmästhetiken geprägten Oberflächen. Diese Oberflächen fungieren als reflexive Räume, in denen sich Betrachter*innen, Umgebung und digitale Bildstrukturen überlagern. Dadurch entstehen hybride Wahrnehmungssituationen, die Fragen nach dem Verhältnis von Bild und Subjekt neu artikulieren. Die scheinbare Perfektion der Oberflächen wird durch subtile Störungen, Unschärfen und algorithmische Muster gebrochen, die auf die Instabilität digital vermittelter Wirklichkeit verweisen.
Bendull finanziert seine künstlerische Praxis vollständig selbst. In den vergangenen Jahren entwickelte er partizipative Kunstformate für Unternehmenskontexte, Formate, die er selbst ausdrücklich nicht als Kunst versteht, die ihm jedoch den Zugang zu Hunderten von Firmen und zu tausenden von Menschen ermöglicht haben, darunter nahezu alle großen DAX-Unternehmen. In diesen Begegnungen wurde ihm deutlich, wie wenig von den Diskursen, Reflexionen und kritischen Fragestellungen der Kunstwelt in der breiten Öffentlichkeit ankommt. Diese Erfahrung verweist auf einen strukturellen Elitismus, der das Feld der Gegenwartskunst nach wie vor prägt, ein Thema, das er in der Serie MiniVerse aufgreift. Bendull sagt: „Ich hatte die Wahl, mir Zeit für den Aufbau eines Netzwerks im Kunstbetrieb zu nehmen oder mich in dieser Zeit finaziell unabhängig von dem Kunstbetrieb zu machen und ein Netzwerk für Mitmach-Formate zu schaffen, wo normale Menschen ein bisschen „malerisch“ tätig werden. Das ist natürlich so keine Kunst, obwohl erstaunlich gute Ergebnisse dabei herauskommen.
Im Zentrum von Bendulls Serien der letzten Jahre steht die Untersuchung der Bedingungen, unter denen Wahrnehmung heute entsteht: die Ökonomisierung von Aufmerksamkeit, die Steuerungslogiken algorithmischer Systeme und die Verschmelzung von Reiz und Rückkopplung. Seine Arbeiten adressieren dabei nicht nur die ästhetische Oberfläche digitaler Medien, sondern auch deren epistemische Konsequenzen, also die Frage, wie digitale Prozesse Bedeutung erzeugen und Handlungsspielräume formen.
Sein Werk lädt dazu ein, den Status des Bildes im 21. Jahrhundert neu zu denken, als dynamisches, relationales Feld, das mit teils komplexen 'Baukastensystemen' Ästhetik-Bausteine aus Screen immer wieder neu zusammensetzt.
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Bendull – Between modular system and rational ambiguity
Bendull’s artistic practice develops from a dual perspective: his early professional experience within the digital industry and his autodidactic engagement with art-historical, media-theoretical, and philosophical discourses. This combination generates a visual language that is less concerned with subjective narration than with structural inquiry. His work begins at the point where economic systems and digital technologies cease to be mere tools and instead function as cultural agents shaping perception, behavior, and social organization.
A formative foundation of his practice is his early involvement in a rapidly evolving internet ecosystem. Before dedicating himself fully to art nearly twenty years ago, Bendull worked in a senior position at AOL, during a period when the company was the world’s largest online service and, in terms of market capitalization, the most valuable corporation globally. Observing how attention became a quantifiable resource and how algorithmic procedures began to steer moods, preferences, and modes of communication provides the conceptual background for his later artistic investigations. Bendull addresses these processes in a more illustrative manner than is currently common in contemporary art, partly because, as he notes, “mythic ambiguity” has been produced in all possible variations over recent decades. His aim is to create something that anyone can understand.
His works frequently employ reflective, smooth, and screen-inflected surfaces. These surfaces function as reflexive spaces in which viewers, their surroundings, and digital image structures overlap. The resulting hybrid perceptual situations rearticulate questions about the relationship between image and subject. The apparent perfection of the surfaces is disrupted by subtle distortions, blurs, and algorithmic patterns that gesture toward the instability of digitally mediated reality.
Bendull finances his artistic practice entirely on his own. In recent years, he has developed participatory art-related formats for corporate environments formats he explicitly does not consider to be art, yet which have granted him access to hundreds of companies and thousands of people, including nearly all major DAX-listed firms. Through these encounters, it became evident to him how little of the discourse, reflection, and critical questioning within the art world reaches the broader public. This experience highlights a structural elitism that continues to shape the field of contemporary art an issue he addresses in his series MiniVerse. Bendull explains: “I had the choice between investing my time in building a network within the art world or using that time to become financially independent from it and to build a network for participatory formats in which ordinary people can be ‘painterly’ active. Of course, that’s not art in the strict sense, although the results are often surprisingly good.”
At the center of Bendull’s recent series lies an investigation into the conditions under which perception is formed today: the economization of attention, the steering logics of algorithmic systems, and the fusion of stimulus and feedback. His works address not only the aesthetic surface of digital media but also their epistemic consequences how digital processes generate meaning and shape the horizons of action.
His practice invites us to rethink the status of the image in the twenty-first century as a dynamic, relational field that continually recombines aesthetic building blocks derived from screens through complex modular systems.
Mega-Galerien und wie sie den Kunstmarkt und auch Ausstellungsbereich beeinflußen
Mega-Galerien und wie sie den Kunstmarkt und auch Ausstellungsbereich beeinflußen
Wie wird jemand ein bekannter Künstler?
„Kennen Sie die eigentlich?“
Ein kunstkritischer Kommentar in Zeiten der Übergalerien und ÜberKunstmagazinen
Kennen Sie Hernan Bas? Oder Shara Hughes? Oder Nathaniel Mary Quinn?
Nein? Macht nichts. Sie gehören zu einer wachsenden Mehrheit.
Dabei hängen diese Namen nicht irgendwo neben der Käsetheke eines Provinzsupermarkts, sondern bei den sogenannten Mega-Galerien. Sie wissen schon: jene globalen Kunstkonzerne mit internationalen Standorten und riesigesm Marketingbudget, dass dort aber anders heißt.
Gagosian, Zwirner, Hauser & Wirth – die üblichen Verdächtigen.
Dort, wo Kunst nicht nur betrachtet, sondern kapitalisiert, gestaffelt, strategisch ausgerollt wird. Dort, wo ein Bild manchmal mehr kostet als ein Reihenhaus im Münchner Speckgürtel, wobei man beim Bild wenigstens sicher sein kann, dass es nicht in 20 Jahren energetisch saniert werden muss.
Die kurze Schreckensliste
Bas? Amerikanischer Maler, inzwischen sechsstellig.
Hughes? Farben, Flächen, Fantasie, ebenfalls sechsstellig.
Quinn? Collagen, geschätzt, gefeiert, verkauft.
Und jetzt die entscheidende Frage:
Warum kennen Sie sie nicht?
Weil dies nur die Spitze eines Eisbergs ist, der inzwischen so groß geworden ist, dass selbst Experten nur noch die oberste Schneeschicht sehen. Jeder Kunstkritiker mit Rest-Ehrlichkeit gesteht heute: Man kann das alles gar nicht mehr überblicken. Die Zahl der international „wichtigen“ Künstler ist inflationär, und das Wort „wichtig“ verliert in dem Moment seine Bedeutung, in dem man versucht, die komplette Liste zu lesen.
Wer glaubt, dies sei schon viel, sollte einmal die zweite Liga betrachten:
Hunderte von Galerien, Kunsthallen, Programmräumen, Off-Spaces, Messe-Ablegern. Jeder mit eigener Künstlerliste, jede Liste dreistellig. Alle mit der gleichen Überzeugung:
Wir zeigen die Zukunft.
Meist zeigen sie allerdings die neunte Variation der gleichen Gegenwartsfixierungen.
Die Wahrheit: Die meisten Künstler sind berühmt, nur innerhalb eines Radius von 3,5 Kilometern.
Man könnte meinen, sie seien internationale Stars, doch tatsächlich kennen sie nur:
– der Galerist
– der Galeristfreund
– zwei Kunstamtsmitarbeiter
– und die Tante des Künstlers, die die Einladungen teilt.
Wie gelangen manche trotzdem zu den Mega-Galerien?
Nun ja. Ein Galerist, nennen wir ihn Larry G., sieht einen Künstler und fragt sich:
Kann ich das verkaufen?
Und vor allem: Kann ich das teuer verkaufen?
Dann beginnt der Mechanismus:
– Große Galerie nimmt mittleren Künstler.
– Markt interpretiert dies automatisch als Qualitätsbeweis.
– Preise steigen.
– Sammler greifen zu, um bloß nichts zu verpassen.
– Der Künstler wird „entdeckt“, allerdings meist nachdem bereits entschieden wurde, dass er entdeckt werden soll.
Die typischen Strategien der Mega-Galerien:
1. Der Blue-Chip-Boost:
Neben Warhol und Basquiat wird ein Unbekannter platziert. Der Kunde denkt: „Wenn er dort hängt, muss er wichtig sein.“
2. Der Biennale-Bonus:
Künstler kurz vor einer Biennale-Beteiligung? Sofort verpflichten. Danach jedes Werk als „pre-Biennale-phase“ verkaufen.
3. Der Kuratoren-Karussell-Trick:
Immer dieselben 20 Kuratoren werden eingeladen, damit ihre Netzwerke die Preise stabilisieren.
Und das Publikum?
Das Publikum, also jene, die im Museum herumstehen und ehrfürchtig nicken, geht zu 80 % wegen des Gebäudes, nicht wegen der Kunst.
Ein frankophiler Architekt baut eine Spirale, die Menschen kommen. Die Kunst ist willkommenes Beiwerk, weil man Tickets schlecht nur für die Wand verkaufen kann.
Die wirklich relevanten Fragen werden selten gestellt:
Was sehe ich hier?
Warum sehe ich es?
Und warum soll ich glauben, dass dies wichtig ist?
Die Pointe des Systems:
Selbst Experten sehen kaum noch durch.
Normale Besucher schon gar nicht.
Und weil niemand widersprechen möchte, funktioniert der Markt weiter. Ein Perpetuum mobile aus Überproduktion, Überbewertung und Überzeugungsarbeit.
Und die Konsequenz?
Vielleicht sollten wir uns eingestehen:
Das Nicht-Bekannt-Sein ist mittlerweile fast eine Auszeichnung.
Es bedeutet, man ist keinem Marktmechanismus unterworfen, keiner Galerie-Strategie, keinem Algorithmus. Es bedeutet, dass man Kunst macht, ohne sich mit Werbeslogans maskieren zu müssen.
Wer heute unsichtbar ist, ist womöglich auf eine stille Weise frei.
Und wer frei ist, schafft vielleicht jene Kunst, die in 50 Jahren wiederentdeckt wird, wenn die Mega-Galerien längst Insolvenzanträge stellen und die Kunstwelt sich wundert, wie sie diese ganze Blase für normal halten konnte.
Mega-galleries and how they influence the art market and the exhibition sector
Mega-galleries and how they influence the art market and the exhibition sector
How does someone become a famous artist?
“Do you actually know them?”
A Critical Art Commentary in the Age of the Mega-Galleries and Supernatural Art Magazines
Do you know Hernan Bas? Or Shara Hughes? Or Nathaniel Mary Quinn?
No? Don’t worry. You’re in excellent company.
These names are not pinned somewhere between the cheese counter and the bread aisle of a provincial supermarket, they hang in the so-called mega-galleries. You know those global art corporations with international locations and huge marketing budgets, which, however, go by a different name there.
Gagosian, Zwirner, Hauser & Wirth, the usual suspects.
Places where art is not merely viewed but capitalized, tiered, launched, and strategically rolled out. Places where a single painting can cost more than a row house on the outskirts of Munich, though, to be fair, the painting at least won’t require an energy-efficiency renovation in twenty years.
The short list of mild horrors
Bas? American painter, six-figure prices.
Hughes? Color, surface, exuberance, also six figures.
Quinn? Collages, celebrated, collected, costly.
And now the real question:
Why don’t you know them?
Because this is merely the tip of an iceberg so colossal that even experts now see only the topmost frost. Every honest art critic will admit: it’s impossible to keep track anymore. The number of supposedly “important” international artists has become so inflated that the word “important” collapses the moment you try to read the entire list.
If you think this alone is overwhelming, take a look at the second tier:
Hundreds of galleries, art halls, project spaces, off-spaces, art-fair satellites. Each with its own artist roster, each roster in the triple digits. All proclaiming, with unwavering conviction:
“We are showing the future.”
Though most of them show the ninth iteration of the same contemporary obsessions.
The truth: most artists are famous within a radius of 3.5 kilometers.
One might assume they are international stars, yet in reality they are known only to:
– the gallerist
– the gallerist’s friend
– two cultural-office employees
– and the artist’s aunt, who shares the exhibition invitation on Facebook
So how do some still end up in mega-galleries?
Well. A gallerist, let’s call him Larry G., sees an artist and asks himself:
Can I sell this?
And, more importantly: Can I sell it expensively?
Then the machinery begins:
– Big gallery adopts mid-level artist.
– The market interprets this as proof of quality.
– Prices rise.
– Collectors buy so they don’t miss “the next big thing.”
– The artist is “discovered,” though only after it has been decided that he should be discovered.
The typical mega-gallery strategies:
The Blue-Chip Boost:
Place an unknown next to Warhol or Basquiat. The client thinks: “If it hangs here, it must be important.”
The Biennial Bonus:
Artist nearing a biennial invitation? Sign immediately. Then sell every work as part of their “pre-biennial phase.”
The Curatorial Carousel Trick:
Invite the same 20 curators who guarantee stable price narratives within their networks.
And the audience?
The audience, those who stand reverently in museums and nod, come 80% of the time for the building, not the art.
A star architect designs a spiral; the people arrive. The art is welcome decoration, since you can’t realistically sell tickets just to look at a wall.
The truly relevant questions are rarely asked:
What am I seeing?
Why am I seeing it?
And why should I believe this is important?
The punchline of the system:
Even experts can barely navigate it.
Regular visitors stand no chance.
And because no one wants to contradict anything, the market rolls on a perpetual motion machine of overproduction, overvaluation, and over-explanation.
The consequence?
Perhaps it’s time to acknowledge a strange truth:
Not being well-known has become almost a distinction.
It means you are beholden to no market mechanism, no gallery strategy, no algorithm.
It means you make art without having to dress it in promotional slogans.
Those who remain invisible today may, quietly, be the free ones.
And the free ones may be creating the kind of art that will be rediscovered in fifty years when the mega-galleries are filing bankruptcy papers and the art world wonders how it ever mistook this entire bubble for normality.

